GV 2023 - Göschenen

GV 2023 - Göschenen


Nach dem offiziellen Teil der Generalversammlung 2023 und einer kleinen Kaffepause im Saal des Weissen Rösslis Weissen Rössli inmitten von Göschenen trugen Jachen Könz und Udo Oppliger jeweils ihre Referate vor, die eine Bereicherung des Rahmenprogramms der diesjährigen GV waren. So erläuterte Udo Oppliger den in allen Belangen herausfordernden Neubau der zweiten Röhre des Gotthard-Strassentunnels, und Jachen Könz thematisierte die Infrastrukturbauten in der Landschaft.
 
Da die erste Röhre in die Jahre gekommen ist, braucht sie eine umfassende Instandsetzung. Damit die wichtige Strassenverbindung auch während dieser Arbeiten offenbleiben kann, baut das Bundesamt für Strassen ASTRA eine zweite Röhre, die in ca. 70 m Distanz parallel zur ersten Röhre verläuft. Der neue Tunnel ist voraussichtlich ab 2029 in Betrieb. Danach steht die Instandsetzung der ersten Röhre an. Ab 2032 sollen dann beide Tunnel mit je einer Fahrspur offen sein. Die zweite Röhre wird gleichzeitig von Göschenen und von Airolo her gebaut. Um das 16,9 km lange Bauwerk zu erstellen, kommen zwei Tunnelbohrmaschinen zum Einsatz. Nur bei kurzen Abschnitten ist ein Vortrieb mit Sprengungen notwendig. Der Bau verursacht rund 7,4 Mio. t Ausbruchmaterial. Es gelangt über ein ausgeklügeltes Logistiknetz aus dem Tunnel direkt in die Materialaufbereitung, was die Umweltauswirkungen minimiert. Sobald die zweite Röhre fertig ausgebrochen ist, installieren spezialisierte Firmen modernste Technik. Zentrales Element dabei sind die Lüftungsanlagen. Um alle diese Arbeiten minutiös aufeinander abzustimmen, braucht es Bauprogramme, von denen eines auch Udo Oppiger während des Vortrags zeigte. Sie sind so komplex, so erschreckend verwirrend und doch so aussagekräftig. Ein solches Bauprogramm für die zweite Gotthardröhre gleicht einem Kunstwerk.
 
Wie sich ein solches Bauwerk in den Kontext einbettet, ist eine wichtige gestalterische Aufgabe. Die Bedeutung dieser Integration erkannte man schon in den 1960er Jahren, als die Autobahn durch das Tessin gebaut wurde. So beauftragte der Regierungsrat Franco Zorzi Rino Tami mit der ästhetischen Beratung der Autobahnbauten im Kanton Tessin. Er entwickelte gezielte Konzepte für die jeweiligen Interventionen und empfahl, die Autobahn als homogene Aufgabe und als Gesamtwerk zu betrachten. Bei der Planung der Tunneleingänge dagegen forderte Tami individuelle Lösungen in einer geometrisch-expressiven Formensprache. Durch diese Massnahmen wurden die Autobahnen im Tessin architektonisch aufgewertet und zeigen insgesamt eine bemerkenswerte Einheitlichkeit. Mitgewirkt an den Hochbauten hatte auch Aurelio Galfetti, der als einer der Hauptvertreter der Tessiner Architektur des 20. Jahrhunderts gilt. Mit der gestalterischen Auseinandersetzung der Autobahn im Tessin haben die Protagonisten einen neuen Massstab beim Bau von Infrastrukturbauten gesetzt. Ein Wertmassstab, der bedeutend ist für eine gesamtheitliche Betrachtung bei der Planung und Umsetzung von Infrastrukturbauten. Diesen bedeutenden Aspekt griff Jachen Könz in seinem Vortrag auf:
Die Teilnehmenden am Rahmenprogramm der Gesellschaft für Ingenieurbaukunst wurde es möglich, die diesbezüglich relevanten Fragen zu erörtern und zu versuchen, Antworten auf die Fragen zu finden: Wie wird mit diesem Erbe umgegangen und in welcher Form kann diese Gestaltung auch für die neuen Infrastrukturbauten übernommen, angewendet oder in modernisierter Form weitergedacht? Es waren inspirierende Gedanken, die während dem Mittagessen und auch danach während der Baustellenbegehung weitergesponnen werden konnten.
 
Am Nachmittag führte uns - eine Gruppe von über 30 Leuten - Renato Baumann von der örtlichen Bauleitung gekonnt durch die Baustelle. Er stand uns Rede und Antwort, wobei das gegenseitige Interesse, Wissen auszutauschen, mit jedem Schritt durch die faszinierende Anlage stieg. Es zeigt auf, wie wichtig Baustellenbegehungen und Projektbesichtigungen sind und welches wertvolle Hintergrundwissen während solchen Anlässen und Exkursionen ausgetauscht werden kann.
 
Am Bahnhof Göschenen, von wo eine temporär installierte Brücke direkt zur Baustelle führt, begann die Begehung und fand das Rahmenprogramm auch seinen Abschluss.
 
13. Mai 2023
 
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